Dienstag, 8. Februar 2011

Heute ein Kaizer

J'adore Kaizers Orchestra. Ich liebe die Rockstars aus Norwegen so sehr. Wie sehr? Lasst es mich an einem Beispiel erklären. Ich bin dieses Frühjahr zu einer traumhaften Reise in die Karibik eingeladen. Unglückseligerweise ist das Kaizers-Orchestra-Konzert in Köln exakt am Tag meiner Abreise. Und ich liebe diese Band so sehr, dass ich ERNSTHAFT darüber nachgedacht habe, meine Reiserücktrittsversicherung in Anspruch zu nehmen, auf 17 Tage Karibik zu verzichten und am 25.3. lieber zu Kaizers zu gehen. So neurotisch und selbstzerstörerisch liebe ich die.





Über das verpasste Konzert tröstet mich immerhin das neue Album der Herren aus dem hohen Norden hinweg. Violeta, Violeta heißt der erste Teil einer Trilogie. Und ich bin erfreut, sagen zu dürfen: Es ist so viel besser als der Vorgänger, Maskineri, das bis dato einzige Kaizers-Album, das von mir nicht den fucking-awesome-Stempel aufgedrückt bekam.

Anspieltipps: En for orgelet en for me, Hjerteknuser sowie der Opener, Philemon Arthur & the Dung. So gut!




love.


m.

P.S. Freunden der balkan-affinen Musik ist vielleicht aufgefallen, dass Kaizers Orchestra nach Gogol Bordello nun schon die zweite Superband ist, die eine gewisse Violeta besingt. Was hat es mit dieser Lady eigentlich auf sich?

Tirade des Tages - U-Bahn-Edition

In Köln mit der U-Bahn zu fahren, ist wirklich kein Geschenk. Meine Erachtens müsste man mindestens das emotionale Gleichgewicht eines Dalai Lama haben, um sich von U-Bahn-Fahrten nicht vollkommen abfucken zu lassen.
Die ständigen Verspätungen sind ja schlimm genug. Aber die Leute? Fuck.
Ganz ehrlich, könnte mal jemand einen U-Bahn-Knigge rausbringen? Langsam machen mich die Leute nämlich krank, die einsteigen, während noch nicht alle, die an der fucking Haltestelle aussteigen wollen, ausgestiegen sind. Oder die im Feierabendverkehr einsteigen und direkt an der Tür stehenbleiben, obwohl hinter ihnen noch 1000 andere Leute in die Bahn wollen. Oder die in einer total überfüllten Bahn den Sitzplatz neben sich mit ihrer Tasche besetzen, egal wie viele gehbehinderte Omis da gerne sitzen würden.

Aaaaaaaaaaaaaaaahhh!

Und wenn man dann die blöde Fahrt überstanden hat und natürlich viel zu spät am Ziel angekommen ist, dann muss man noch die Rolltreppen-Tortur überstehen. Denn man hat es eilig, aber man kommt nicht voran. Weil allein in Köln die Leute zu dumm sind, die Rechts-stehen-links-gehen-Regel zu kapieren. In Köln wird auf der Rolltreppe grundsätzlich gestanden - bloß keine Rücksicht nehmen.

Aaaaaaaaaaaaaaaahhh!

Wobei - über den Rolltreppen-Part sollte ich mich wahrscheinlich nicht so aufregen. Denn die meisten Rolltreppen fahren in Köln ja ohnehin nicht, sondern sind lediglich dazu da, Kippen, Coffee-to-go-Becher und McDonalds-Verpackungen aufzufangen und den U-Bahn-Stationen so einen aparten, post-apokalyptischen Anstrich zu verleihen.

Aaaaaaaaaaaaaaaahhh!

Leute, ich kann nicht mehr. Scheiß auf die Umwelt, die Erde geht eh bald unter; ich brauche ein Auto. So wie es jetzt ist, kann es jedenfalls nicht bleiben.


m.

Montag, 7. Februar 2011

Lovely Schumann

Ungewöhnlichen Tag gehabt gestern. Auf der Bühne stehe ich ja öfters mal, aber eine Lesung - das war für mich eine Premiere. Und dann auch noch für den guten Zweck und vor vollem Haus - so lasse ich mir das gefallen.

Mein Freund Jörn und ich waren von den Organisatoren des Nümbrechter Vereins Lichtbrücke, der sich für Bangladesch einsetzt, gefragt worden, ob wir bei einem Schumann-Abend mitwirken würden. War ganz cool, denn ein Pianist und eine Sopranistin steuerten den musikalischen Teil bei, und Jörn und ich lasen aus den Liebesbriefen, die sich Clara Wieck und ihr späterer Ehemann Robert Schumann geschrieben haben. Hochromantisches Zeug, kann ich euch sagen. Noch dazu mit einer ordentlichen Prise Romeo und Julia, weil Claras Vater gegen die Hochzeit war und die beiden lange von einander ferngehalten hat.

Dem Freund des gediegenen Liebesbriefes kann ich nur diesen schönen Band empfehlen, in dem die erhaltenen Texte der beiden lovebirds gesammelt sind.





Da kriegt man richtig Lust, wieder Briefe zu schreiben. Wird es aber natürlich dennoch niemals tun, weil man mit dem bisschen freier Zeit, das man hat, lieber Facebook-, Twitter- und Blogger-Accounts pflegt. Oh, well.


m.

Limit to Your Love

Ein bisschen schöne Musik - eine Coverversion - zum Wochenanfang. Denn wann kann man sie mehr gebrauchen, als jetzt? Das Cover ist von einem Herrn namens James Blake, über den ich nichts weiß und an dieser Stelle entsprechend auch nix schreiben muss. Ist doch auch mal schön. Der Song ist eigentlich von Feist, von ihrem wunderbaren Album The Reminder, das ich unglücklicherweise irgendwann auf Amazon vertickt habe, als ich gerade sehr, sehr pleite war. Hm. Vielleicht schaffe ich es mir irgendwann wieder an.
Hier aber Herr Blake, enjoy.





m.

Freitag, 4. Februar 2011

L'art pour l'art - Interview mit Michelle Kluge pt. III

Nicht schlapp machen, liebe Kölner und Kunstfreunde. Hier ist der dritte Teil meines Interview mit der Kölner Künstlerin und Ausstellungmacherin Michelle Kluge. Das Interview fällt mittlerweile wohl unter den Begriff vintage, denn es ist aus dem März 2010. Sei's drum. Deswegen ist es nicht minder interessant. Enjoy!



Michelle, du bist nicht "nur" Künstlerin, sondern auch Sammlerin. Was sammelst du?

Bücher, CDs, Comics, Daten, DVDs, Flyer, Handtaschen, Ideen, Kataloge, Künstler, Mangas, Panini-Sammelbilder, Postkarten, Zeitschriften.



Celeste Palacios - Antifaz


Warum sammelst du?

Keine Ahnung. War schon immer so. Das Sammeln ging früh los. Auch damals schon Comics und Bücher. Früher auch Heftromane. Perry Rhodan hatte ich geliebt. Henning Roll - ein Nachbarsjunge - hatte mir die alle abgekauft. Waren sicher 300 Stück. Als kleines Kind sammelte ich Hörspielkassetten: Hui Buh, Jules Verne, Karl May und Märchen. Alle schon seit Jahrzehnten weg. Einen Teil hatte meine Mutter an meine Neffen verschenkt, einen anderen Teil hatte mein Bruder auf Trödelmärkten verramscht. Über meine großen Brüder fand ich zur Musik. Am Anfang hatte ich nur Pink Floyd gehört und ich musste alle Platten von denen haben. In den Achtzigern spielte ich Rollenspiele. Da sammelte ich alles, was zum Rollenspielen dazu gehört: Adventures, Systeme, Sets und Zubehörhefte. Alle weg. Weil ich keine Rollenspiele mehr spiele. Das Abstoßen gehörte für mich immer dazu. Mache ich auch heute noch so. Eine CD, die ich seit 5 Jahren nicht mehr höre, höre ich wohl auch in den nächsten 5 Jahren nicht mehr. Darum weg damit. Nur so bleibt eine Sammlung gesund. Meine Sammlungen sind Gebrauchsgegenstände. Ich sammle nicht, um zu sammeln. Ich weiß z. B. auch nie, wie viele CDs oder meinetwegen Mangas ich habe. Einzige Ausnahme: Die Panini-Sticker. Die sammle ich des Sammelns wegen. Wie ein Gärtner im Garten gucke ich, wie es wächst. Noch eine Ausnahme: Ich weiß immer, wie viele Miles Davis-CDs ich habe: Aktuell 25. Ein Jubiläum. Hurra.



Ennelin Reich - Quadrat & Herbst


Du machst auch selbst Kunst. Bitte beschreibe einmal, was du machst und wo man das sehen kann.

Ich mache konzeptionelle Kunst. Ich sammele Bücher, CDs, Comics, Daten, DVDs, Flyer, Kataloge, Mangas, Tageszeitungsartikel und Zeitschriften. Erst einmal für ihren primären Zweck. Ich lese, ich höre, ich sehe. Gleichzeitig sind sie Medien. Daten der Medien selektiere ich heraus und kopiere sie.
So ist eine gigantische Privatdatenbank mit vielen Themengebieten entstanden: Afrika, Deutschland, Eishockey, England, Film, Frankreich, Frauen, Frauenfußball, Fußball, Geschichte, Inseln, Köln, Japan, Jazz, Mode, New York, Paris, Spanien und Tanz. Um Ganzheit zu erlangen, recherchiere ich zu einzelnen Daten.
Am Ende werden aus der Datenbank Daten herausgeholt und in einem großen Archiv in Aktenordnern gehütet.
Daten werden aus den Medien selektiert, in die Datenbank transferiert und von der Datenbank ins Archiv verlegt. Bei dieser Arbeit werde ich fremdgesteuert. Durch ein komplexes System von Regeln, Ritualen und Spielen, die zu liebgewordenen, nicht mehr abzuschüttelnden Zwängen ausgewachsen sind. Das sich Hingeben und Erleben in diesem System empfinde ich als absolute Freiheit. Eine Freiheit, die ich außerhalb dieses Systems nicht erleben kann.
Meine künstlerische Arbeit beschreibt diese Prozesse.
Zu sehen gab es in den ersten drei Ausstellungen des Michelle Kluge meine Sammlungen.
Noch einmal Sammlungen, aber auch Datenblätter des Aktenordnerarchivs, gibt es in Juni in einer Gemeinschaftsausstellung mit Silke Bunde und Julja Schneider zu sehen. In dieser Ausstellung werden vier Gemeinschaftskunstwerke gezeigt. Es geht dabei um Kunst-Beziehungen. Wie setzt sich eine Künstlerin mit der Kunst einer anderen Künstlerin auseinander. Zu sehen wird die Ausstellung in ein Atelier in Deutz sein, in der Nähe des großartigen Gebäude 9. Die Ausstellung wird heißen “Experiment 169". Ich bin da selber sehr gespannt drauf. Es stellt für mich meine Emanzipierung vom Michelle Kluge Komplex dar.
Intensiv arbeite ich zur Zeit an meinen “Meta-Dokumenten”. Hier setzte ich mich mit Fremdsteuerung auseinander. Dazu gibt es dann vielleicht schon Ende dieses Jahres meine erste Solo-Schau.




Ralf Hennerici



Hast du einen day job oder kannst du von der Kunst leben?

Ja, ich habe einen Day Job. Ich arbeite im sozialen Bereich.


Welche Kunst begeistert dich derzeit?

Maria Eichhorn, Sylvie Fleury, Jonathan Meese, Marc Quinn. Ai Weiwei. Das sind so die Künstler aus der mehr oder weniger aktuellen Szene, die ich großartig und inspirierend finde.
Natürlich alle meine Komplexerinnen und Komplexer.
Joseph Beuys, Frida Kahlo, Pablo Picasso und Robert Rauschenberg bewundere ich, seit ich mich für Kunst begeistere.


Gibt es in der Populärkultur (sei es Musik, Film, TV, wasauchimmer) derzeit etwas oder jemanden, der dich begeistert?


Ich hänge immer ein oder zwei Monate hinterher. Ganz aktuell bin ich nie. Ich finde es auch sehr schwer, immer aktuell zu sein. Gerade was die Musik betrifft. Beim Film schaffe ich es auch nicht mehr. Ich gehe immer seltener ins Kino, gucke fast nur noch DVD. Zur Zeit höre ich relativ oft die neuen CDs von Peter Gabriel und Dominique A.
Und aktuell ich bin ich besessen von Frauenfußball. Dazu verlasse ich auch die Stadt. War für Spiele in Bad Neuenahr, Duisburg und Leverkusen. Lira Bajramaj, Annike Krahn und Inka Grings sind meine Lieblingsfußballerinnen. Ich habe mir fest vorgenommen, neben der Kunst, noch irgendwas für die Popularität des Frauenfußballs zu unternehmen. Viel ist dabei aber noch nicht herum gekommen.


Lebst du eigentlich gerne in Köln?

Definitiv: Ja. Ich mag die Leute hier. Die Kulturszene hat viel zu bieten. Köln ist eine Großstadt, aber trotzdem irgendwie gleichzeitig übersichtlich. Ich mag Köln, weil ich Geschichte liebe. Köln ist voll von Geschichte. Nur eins ist Köln nicht: Köln ist nicht schön. Berlin ist mir zu groß und zu hip. Hamburg mag ich. Bei München habe ich so meine Vorurteile, die man eben so als Rheinländer gegenüber Bayern hat.



Hella Klinkenberg - Kleefisch


Man hört häufig, dass es der Kultur in Köln nicht gut geht. Wie siehst du das? Ist Köln eine gute Stadt für Künstler?

Als Künstlerin, die am Anfang der äußeren Wahrnehmung steht, erwarte ich eh nicht viel. Die Kölner Kunstszene hat eine sehr vitale Off-Szene. In der bewege ich mich viel. Wirklich jammern hörst Du da keinen. Die, die jammern, schieben es aber eher auf die Wirtschaftskrise und auf den Euro.
Köln ist eine gute Stadt für die Kunst, weil es hier eine große, lebendige Szene gibt. Egal ob es nun die Off-Szene ist, die etablierten Galerien oder die Museumslandschaft.
Doch habe ich manchmal den Eindruck, dass das Überangebot auch manchmal den kleinen Künstlern die Luft wegnimmt.


Du bist im Netz sehr aktiv, hast eine tolle Homepage, bist auf Xing und MySpace aktiv. Sind solche Netzwerke nützlich für Künstler?

Diese Frage stelle ich mir auch unentwegt. Austausch ist wichtig. Netzwerke sind wichtig. Ganz klar. Die ganze virtuelle Netzwerkerei bringt aber nur was, wenn es irgendwann auch in die analoge Welt übergeht. Als Präsentationsflächen sind die eigene Homepage oder der MySpace-Space schlaue Werkzeuge. Und es gibt in der Kunstszene nur noch ein paar bewundernswerte Idealisten, die nicht im Netz sind.


Welche Frage habe ich vergessen zu stellen, obwohl Du sie liebend gerne beantwortet hättest? Wie lautet die Antwort?


Hier sind die Antworten, auf Fragen, die Du nicht gestellt hast: Finger weg vom Alkohol. Kunst geht auch ohne Drogen. Kunst ist nicht nur Inspiration und Leidenschaft, sondern hat auch viel mit Authentizität und Disziplin zu tun. Meine Lieblingsbands sind Motorpsycho und die Flaming Lips. Meine Lieblingsautoren sind Isabelle Allende und John Irving. Aktuell lese ich von Michael Moorcock “Der Herr der Lüfte”. Meine älteste Zeitschrift ist ein “Life”-Magazin von 1948. Die “Vogue” sammle ich seit 1987. Meine Lieblingszeitschrift ist zur Zeit die “Geo Epoche”. In den 80ern hatte ich elektronische Musik gemacht. Im Internet habe ich ein Dutzend Kurzgeschichten veröffentlicht. Ich wäre gerne politisch interessierter. Zur Zeit ist einer meiner Schwerpunkte meiner Datenbank Clint Eastwood. Ähnlich wie ‚Messi’ empfinde ich es nicht beleidigend oder abwertend, wenn man mich als Nerd bezeichnet. Für spezielle Zeitschriften pilgere ich einmal im Monat zur Bahnhofsbuchhandlung. Ich liebe die Kölner Kioske. Wenn ich nicht Kunst machen und in einem sozialen Beruf arbeiten würde, würde ich gerne in einer Bibliothek arbeiten und Bücher sortieren und einordnen.


m.

Donnerstag, 3. Februar 2011

L'art pour l'art - Interview mit Michelle Kluge pt. II

Kunstfreunde, weiter geht's mit Teil 2 meines Interviews mit der wunderbaren Michelle Kluge (aus dem Jahr 2010) - angerichtet mit ganz viel Kunst. Bon appétit!



Michelle, Du schreibst auf deiner Homepage, du seist weder Galeristin noch Kuratorin oder Ausstellungsmacherin, sondern „Mutter“. Was ist damit gemeint? Was sind deine Funktionen im Michelle Kluge Komplex?

Gemeint ist damit, dass ich das alles zusammen bin. Ich leite die Künstlergruppe, ich organisiere die Ausstellungen und erfinde die Konzepte und Mottos der einzelnen Ausstellungen. Dazu bringe ich meine eigene Konzeptkunst mit in die Ausstellung. Wobei dann aber immer meine Kunst die Bühne und Hintergrundmusik der Ausstellung ist. Weiter ist meine Kunst das Gesicht der Künstlergruppe. Es ist das Erste, was Du zum Beispiel auf der Startseite der Homepage des Michelle Kluge Komplex siehst.



Antje Rosenthal - Trauer



Bist du wirklich ein Messi?

Ja.


Du bringst Teile deines Lebensraumes in den Kunstraum. Wie wählst du aus, was du zeigst? Wie persönlich, wie intim ist diese Auswahl?

Ich bringe aus meinem Lebensraum meine Sammlungen in den Kunstraum. Aktenordner mit Datensammlungen, Ausschnitte aus Tageszeitungen, Bücher, CDs, Comics, DVDs, Flyer, Kataloge, Mangas, Zeitschriften. Sie sind mir viel persönlicher als mein Bett, mein Kleiderschrank, mein Kühlschrank, meine Unterhosen oder meine Zahnbürste.



Peter Mück - Davis



Du lässt die Künstler mit ihren Werken in deine Wohnung. Klingt ein bisschen, als seiest du Warhol und die Künstler Mitglieder der Factory. Guter Vergleich? Ganz mieser Vergleich? ;-)

Der Vergleich ist mir eine Ehre. Stelle es dir aber bitte etwas ...ähh... volkstümlicher vor. Mit weniger Drogen. Aber Warhol und die Factory waren ganz klar cool. Ein Unterschied aber: Die Komplexerinnen und Komplexer produzieren in meiner Wohnung nicht ihre Kunst.


Was für Kunstwerke hast du jetzt gerade in deiner Wohnung?

Vier Gemälde von Björn Candidus. Das “Rote Drachenbild” ist ein Geschenk, die anderen drei Bilder sind Leihgaben. Von Ralf Hennerici eine kleine, grüne Collage mit ganz vielen Totenköpfen. Hella Klinkenbergs “Dornenvögel”, eine Auseinandersetzung mit Billie Holliday, Edith Piaf und Amy Winehouse. Von Peter Mück ein Scratch Art-Porträt des Jazzers Archie Shepp. Zwei “Quadrate” von Ennelin Reich. Von Celeste Palacios zwei Porträts aus ihrer Serie “Wir sind Alle”. Dann habe ich noch drei Bilder von Gerhard Althoefer. Diese drei Bilder sind aber zur Zeit im Ersten Kölner Wohnzimmertheater zu sehen. Als Teil der aktuellen Michelle Kluge Komplex-Ausstellung “Kunst macht Theater” gibt es dort eine Gedächtnisausstellung für Gerhard Althoefer.



Björn Candidus - Genozid


Wo wohnst du und warum?

Hmm. Seit 1992 in Köln. Seit 1998 wohne ich in einer WG am Hansaring. Mit Blick auf dem “Saturn”. Ich wohne hier immer noch, weil der Gedanke an einen Umzug mich in Panik versetzt. Mit meinen vielen Sachen umziehen ist unmöglich.


Wie groß ist deine Wohnung und wie viel Platz davon nehmen deine Sammlungen ein?

101 qm. Alle Wände meiner zwei Räume (mein Teil der WG) sind vollgestellt mit meinen Sammlungen. Aneinander gereihte Aktenordner, offene CD-Koffer und offene Panini-Alben nehmen Teile des Fußbodens ein. Ach ja, und ein kleiner Stapel Tageszeitungsseiten, die ich aus Tageszeitungen raus gerissen und noch nicht gelesen habe.

Dienstag, 1. Februar 2011

L'art pour l'art - Interview mit Michelle Kluge pt. I

Ich bin noch viel bekloppter, als ich dachte. Da habe ich kürzlich die ganzen alten Inhalte meines Blogs gelöscht, ohne daran zu denken, dass das Ding zwar zu 98% aus egozentrischen Murks bestand, dass die verbleibenden 2% jedoch total cool waren. So beispielsweise das Interview mit meiner Freundin Michelle Kluge, die hier in Köln eine großartige Künstlergruppe unterhält und eine meiner persönlichen Heldinnen ist.

Für alle, die sie noch nicht kennen, ist hier der erste Teil meines Interviews mit ihr (aus dem Jahr 2010). Der Rest folgt in Bälde - jeweils hübsch ausgarniert mit Bildern von Künstlern des Michelle Kluge Komplex. Viel Spaß, art lovers!



Michelle Kluge


Liebe Michelle, was ist der Michelle Kluge Komplex?
Ganz trocken: Der Michelle Kluge Komplex ist eine freie Künstlergruppe. Ich verehre das Alphabet. Es ist sehr mächtig. Die Gruppe besteht aus Björn Candidus (neo-surreale Malerei), Ralf Hennerici (Collagen und abstrakte Malerei), Hella Klinkenberg (The Hooker Experience), Michelle Kluge (Mutter und konzeptionelle Künstlerin), Peter Mück (Scratch Art), Ennelin Reich (Serien abstrakter Quadrate), Antje Rosenthal (gegenständliche und abstrakte Malerei) und Georg Schnitzler (Briefkasten-Malerei und Handy-Fotografie). [Mittlerweile ebenfalls dabei: Die wunderbare, wunderbare Celeste Pacios; Anm. Vega]

Der Michelle Kluge Komplex hat keinen festen Wohnsitz, keinen Stammplatz, keine Galerie. Invasiv wie freundliche Terroristen bespielen wir für begrenzte Zeit Räume, die eigentlich andere Zwecke erfüllen. So entsteht eine Vermischung von Art Space und Lebensraum. Um gegen sakrale und sterile Ausstellungsorte der zeitgenössischen Kunstszene anzustinken.
Der Michelle Kluge Komplex arbeitet mit Kreativen anderer Disziplinen aus Film, Literatur, Mode, Musik und Theater zusammen.

Alle Komplexerinnen und Komplexer sind am Ausstellungsmachen beteiligt. Alle bestimmen mit. 2009 gab es drei Ausstellungen in drei verschiedenen Kölner Locations. Aktuell ist die Ausstellung “Kunst macht Theater” im Ersten Kölner Wohnzimmertheater. Ende August 2010 werden wir in der “Alten Feuerwache” die Ausstellung “Kunst zieht an” machen. Mit zwei Modenschauen und einer Boutique.



Celeste Palacios - Panda



Wie entstand der Michelle Kluge Komplex?

Im August 2008 hatte ich ein Interview mit einem Sammler gelesen. In dem Interview ging es über die Beziehung eines Sammlers zu seiner Sammlung. Über die Frage, wer wen beherrscht. Dass sich dadurch Rituale ergeben, wie weit das Sammeln zwanghaft ist und diese Zwänge in Tagesabläufe einschneiden. Der Sammler sagte, dass er all das zulässt. Seitdem er es zulässt und es nicht mehr in Frage stelle, sei er glücklich. Im Reinen mit sich selber.

Dieses Interview beschäftigte mich. Dadurch entstand vor mir ein Bild: Ich sah meine Sammlungen aufgestellt in einem Ausstellungsraum. Nicht als Dokumente, sondern als ein Kunstwerk. Und darüber die Gemälde von Björn Candidus und die Fotos von Marla Schnee. An zwei Wänden. Gegenüber. Es erinnerte mich an eine Szene in einem Western. Wenn sich die Revolverhelden beim Duell gegenüber stehen. In einer dieser Westernstädte. Eine einzige Straße mit links und rechts Häusern dran. Saloon, Sheriff-Office, der Krämerladen. Auch das passte. Meine Comicstapel und Zeitschriftentürme waren wie diese Westernfilmstraßen. Eine Bühne also. Da war die Idee geboren. Eine Ausstellung mit meinem Kunstwerk als Bühne. Aufkratzt von dieser Idee meldete ich mich noch am gleichen Tag bei Marla und bei Björn. Sie ließen sich anstecken. Die Künstlergruppe war geboren.



Hella Klinkenberg - Dornenvögel


Wie kommst du an die Künstler, mit denen du arbeitest bzw. wie kommen die Künstler an dich?

Es gibt inzwischen drei “Generationen” im Michelle Kluge Komplex. So nenne ich das. Die Gründungsmitglieder waren Gerhard Althoefer, Nike Büchel, Björn Candidus, Ennelin Reich und Marla Schnee. Davon sind Björn Candidus und Ennelin Reich übrig. Marla und Nike sind aus persönlichen Gründen ausgestiegen. Gerhard Althoefer verstarb leider überraschend und viel zu früh im Dezember 2009. Diese Leute sind die “Erste Generation”. 2009 kamen Klaus Hemmersbach, Ralf Hennerici, Hella Klinkenberg, Peter Mück und Celeste Palacios dazu. Sie sind die “Zweite Generation”. Davon ist inzwischen Klaus Hemmersbach nicht mehr dabei. Klaus war ein Bekannter von Nike. Ein Besucher der ersten Ausstellung hatte Ralf zum Komplex vermittelt, Ralf hatte über den Art Club Peter zum Komplex geholt, die Kunst von Celeste hatte ich in einer Kneipe im Belgischen Viertel entdeckt und Hella war eine alte Bekannte von mir. Sie ist Tänzerin, Schauspielerin und Modeschöpferin. Ich hatte sie dazu gebracht, Kunst zu machen.

Ganz neu dabei sind Antje Rosenthal und Georg Schnitzler. Sie sind der Anfang der “Dritten Generation”. Antje ist auch über den Art Club zu uns gestoßen. Seit der 2. Ausstellung werden neben den Kunstausstellungen Lesungen gegeben. Über diesen Nebenzweig stieß Georg Schnitzler zu uns. Er ist eigentlich berühmter Autor und Kabarettist. Malt und fotografiert aber schon lange. Jetzt zeigt er beim Michelle Kluge Komplex seine Bildende Kunst.

Dieses “Künstler-kommen-und-gehen” mag ich. Wir hatten bisher vier Ausstellungen (einschließlich der aktuellen Ausstellung). Bei jeder Ausstellung gab es eine andere Künstlerkonstellation. Dies trug viel dazu bei, dass jede Ausstellung für sich eine eigene Atmosphäre hatte.



Georg Schnitzler - Briefkasten


Nimmt der Michelle Kluge Komplex auch noch neue Künstler auf?


Ja, aktuell ist Platz für ein bis zwei neue Komplexerinnen und Komplexer. Ich bin offen für alles. Doch lasse ich Neue von der Gruppe absegnen.



- - - - - - more to come!
m.